Virtuelle Ausstellung„Amulett, Talisman, Glücksbringer“Die sogenannte „Schwarze Venus“ von DolnÍ Věstonice, Tschechien.Alter zwischen 29.000-25.000 Jahren, Höhe 11,5 cm, gebrannter Ton (Kopie)
Im Gravettien ab ca. 30.000 - 22.000 BCE (Before Current Era),
der zweitältesten Kulturepoche des Jungpaläolithikums,
findet sich eine Vielzahl kleiner meist weiblicher Statuetten,
hergestellt aus dauerhaften Materialien, wie Stein, Mammutelfenbein oder auch Ton.
Unter diesen anthropomorphen Plastiken überwiegen Frauenfigürchen und da wiederum
eine kanonische Gruppe meist sehr dickleibiger, nackter Frauendarstellungen,
oft liebevoll ausgearbeitet, die eine Reihe mysteriöser Gemeinsamkeiten aufweisen:
Kein Gesicht, häufig keine Füßchen und eine in sich gezogene, introvertierte Körpersprache
mit charakteristisch geneigten Köpfen, eng an den Körper liegenden, dünnen Armen,
die Hände entweder flach auf den Bauch oder das obere Brustbein gelegt und „weichen“ meist aneinander
gedrückten Knien.
Die Funktion und Bedeutung dieser Figuren bleibt rätselhaft, aber ihre weites Verbreitungsgebiet vom Südwesten Frankreichs bis in die russische Tiefebene und möglicherweise bis nach Sibirien, und auch ihre zeitliche Tiefe von 4-5000 Jahren weist auf eine übergreifende spirituelle Bedeutung, auf einen bedeutenden kulturellen Mythos hin. Die Jäger des eiszeitlichen Gravettien deponierten sie in ihren Freilandcamps, einige wenige fanden sich auch in Höhlen, z.B. in den Balzi Rossi Höhlen in Italien. Oft wurden sie zu zweit oder zu dritt zusammen „begraben“, vorher häufig zerbrochen und ebenso häufig mit rotem Ocker bestreut. Die Frauenstatuetten aus DolnÍ Věstonice weisen einen ganz eigenen Stil auf. Die hier dargestellte sogenannte „schwarze Venus“ ist wohl die berühmteste unter ihnen. Ihre Besonderheit liegt sowohl im Material - Ton, der durch den reduzierten Brand eine schwarze Farbe angenommen hat; als auch durch die beiden schräg nach unten verlaufenden Ritzungen im Gesichtsbereich in etwa auf Höhe der Augen. Der untere Rückenteil dieser Frauenstatuette wurde von einem oder einer etwa 10-jährigen Heranwachsenden berührt, da im Ton noch der Fingerabdruck zurückgeblieben ist. Am Oberkopf hat sie vier kleine ovale Mulden, vielleicht waren darin bunte Steinchen, Samen oder Haare eingedrückt. Es ist nicht ausgeschlossen, daß diese Figürchen als Talisman oder Amulette in den Jagd-Lagern deponiert wurden, vielleicht vermochten sie in Verbindung mit uns unbekannten Ritualen Unglück abgewiesen oder gelindert haben, vielleicht hatten sie auch eine uns ebenfalls unerschließbare Totemfunktion. Adeline Schebesch |